MAIN STREAM
Hubert Bergmann, piano, sopranino sax, Elmar Guantes, doublebass
Udo Schindler, Tenor sax, Sopran sax, bassclarinette, flute
Mainstream als Überschrift zu wählen, entspricht in etwa der Auffassung auch von David Thomas, der seine Songs für normal und menschlich hält, das, was die Hörgewohnheiten majorisiert aber für kapitale Verirrungen und Abnormitäten. Die Musik auf diesen 6 CDs empfiehlt sich der Wahrnehmung im unmittelbar einleuchtenden Zusammenklang von HUBERT BERGMANN an Piano & Sopraninosax, ELMAR GUANTES am Kontrabass und UDO SCHINDLER an Tenorsax, Flöte & Bassklarinette als direkt aus dem Herzblutkreislauf geschöpft. Über 357 Minuten erklingen Improvisationen dieser drei vom 27. & 28.1. und 13.4.1996 im Keller der Domakateliers und in der Musikhochschule in München. Wie mudoks schon damals zeitnah, wenn auch nur auszugsweise auf Slow und auf Physics (1996) dokumentiert hatte, konnten sich die drei in irrwitzige Kreativräusche hineinsteigern. Wobei mich erstaunt, dass Bergmann zuerst gar nicht Piano spielt, sondern als zweiter Bläser besticht, dessen Feuerzüngelei und Luftgeschlängel sich von Schindlers Sopranistik nur abhebt wie eine Flamme, eine Luftverwirbelung, von der andern. Wie abwechslungsreich sich das gestalten konnte, zeigen gleich die zweiten 24 Min., die als Flöten-Bass-Duett beginnen, mit dem der in Innsbruck geborene Münchner Bassist sich Champions-League-tauglich zeigt. Indem er seine mit Roland Heinz (Dada Kongress) oder mit Hans Wolf im Autorenensemble und dem Occio Quartet (mit Limpe Fuchs & Zoro Babel) und vor allem auch solo entwickelte Spielkunst auffächert. Dieweil mich Bergmann weiterhin als quirliger Trillerdrache verblüfft, jetzt im Kontrast zur Bassklarinette. Guantes schwingt den Bogen, um zu einem von der Tarantel gebissenen Menuett aufzuspielen, oder bietet seine Saiten den Bläsern als Trampolin, Boxring und Fechtboden an, um dabei selbst einige wilde Punches auszuteilen. Schwer zu sagen, was sich da alles abspielt, jedenfalls kein von des Gedankens Blässe angegriffenes Plinkplonking und kein Fakirgeprickel in Echtzeit, vielmehr vollmundig Lebenslustiges, ohne Scheu freilich vor gelben, sopran(i)nospitzen Klängen, Zackenkämmen und Stoßkanten. Guantes stachelt delirantes Tirilieren klopfend, pickend und sägend noch an, Rasanz ist Trumpf, genug ist nie genug. Die Fülle der Klänge, die Schindler und Bergmann aus ihren Rohren pusten, ist absolut hirnerfrischend, auch, oder gerade weil, die brodelnden Synapsen gegen die Schädeldecke anbranden. Bergmanns Bekanntschaft mit Guantes geht zurück bis in die Jahre, als Musik noch auf Cassette herauskam (Matrix, 1989) und trägt, wie zuletzt Ronin (mudoks, 2012) zeigte, immer noch frische Früchte. Inzwischen harft Bergmann zu knarrigen Bassstrichen und Schindlerschem Geflöte immerhin schon mal im Innenklavier und von den Tasten spritzen Eiskristalle im Kontrast zu rumorenen Riffs der Linken. Das Piano bedeutet unter Bergmanns Händen nie eine Zähmung der Klangflut, was aber lyrische Umschweife nicht ausschließt, wenn Guantes da etwas am Bass kaputt zu machen scheint. Kurz: Es darf und soll immer wieder gern auch Vandermark und Parker, Kessler, Edwards und Flaten sein, muss aber nicht. Schindlers, Guantes' und Bergmanns Herzblut ist nicht weniger rot, ihre Musik keinen Deut zahmer. [BA 80 rbd]
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